Ein beginnender Erfahrungsbericht:
Bääähm da ist er, der zweite Strich auf dem Schwangerschaftstest. Als ich an jenem Morgen aufwachte, sagte mir mein Bauchgefühl dieses Ergebnis bereits voraus.
Also gut kurz rational gedacht: ok, ich sehe zwei Striche – schwanger und nun?
Sofort kamen mir die Bilder meiner ersten Schwangerschaft in den Sinn: Sobald das System von Ärzten erfährt, ahhhhh da kommt eine Schwangere, leuchten die Dollarzeichen auf. Erste Blutuntersuchung zur Feststellung der Schwangerschaft hier, Antikörpersuchtest da, ach den Eisenwert müssen wir noch bestimmten, Urin abgeben und Blutdruckmessen. Und ich als nichtsahnende Erstschwangere mittendrin die (einfach aus lauter Unwissenheit) zu jedem Ja und Amen sagte.
Nach eben all den (rückblickend nicht so schönen) Erfahrungen durch meine erste Schwangerschaft, war ich innerlich am Jubeln: Jetzt wird alles anders. Ich bestimme über mich und meinen Körper, ich treffe die Entscheidungen, ich sage, was ich möchte und was nicht – So der Plan! So die Praxis: Nach dem ersten Arztbesuch war mir klar, hier wird das nicht funktionieren. Also was tun? Erstmal eine vertrauensvolle und kompetente Hebamme finden. Gott sei Dank ist mir dies gelungen. Ester Termin beim neuem Frauenarzt: Ja sie können „nur“ die drei großen Screenings bei uns machen – ABER wir haben ja auch eine Fürsorgepflicht ihnen gegenüber daher müssen wir die ein oder andere Untersuchung schon machen.
Ja hab ich mir gedacht, warten wir es mal ab. Tja und wie schnell man in diesem Schwangerschaftsuntersuchungen-Kreislauf drin ist, habe ich beim ersten Termin sofort gemerkt als eine energische medizinische Fachangestellte zu mir sagte: Hier ist ihr Becher, bitte geben sie Urin ab. Kommen Sie bitte mit ins Labor. Wir nehmen jetzt Blut ab. Jetzt MÜSSEN wir noch Blutdruck messen.
Puh danach saß ich so gar nicht selbstbestimmt und klein mit Hut im Wartezimmer, fühlte mich unendlich traurig und schlecht, weil ich es nicht geschafft hatte, meine Bedürfnisse zu äußern. Was möchte ich – was möchte ich nicht. Weil man es eben so macht. Kurz war ich davor zu sagen ich lasse es bleiben, gehe halt alle verdammten vier Wochen zum Frauenarzt lass alles mit mir machen – dann sind alle zufrieden. Ich falle nicht auf und muss nicht jedem (nicht nur dem Arzt) ständig erklären, ja schon rechtfertigen, was ich alles nicht machen möchte. Als ich so da saß und darüber grübelte was da gerade alles eigentlich gegen meine Überzeugung passiert ist begann ich zu begreifen:
- Eine selbstbestimmte Schwangerschaft kann unbequem sein weil man sich immer wieder erklären muss
- Wer auffällt passt nicht in das System
- Dinge die wir Menschen nicht kennen (eben eine selbstbestimmte Schwangerschaft oder etwas anders zu machen), machen uns erst mal Angst
- Die Frauenärzte stehen in der Verantwortung wenn mir oder dem ungeborenen Kind etwas passiert.
Aber geht es bei einer selbstbestimmten Schwangerschaft nicht auch darum Verantwortung nicht abzugeben? Sondern selbst in der Verantwortung für sich und seinen Körper zu bleiben? Wohin ist denn dieses Gefühl der Verantwortung hin? Warum fällt es einem so schwer sich auf seine eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse zurückzubesinnen? Haben wir das wirklich im Laufe unseres Lebens verlernt? Ich bin gerade dabei mir die Verantwortung für mich und meinen Körper wieder zurück zu kämpfen. Für mich, mein Baby und für eine selbstbestimmte Schwangerschaft. Und auch für Dich um Dich darin zu bestärken, dass eine Schwangerschaft etwas natürliches ist und auch selbstbestimmt funktionieren kann.
Einen kleinen Erfolg konnte ich bereits verbuchen: Also ich meinen zweiten großen Ultraschall verschieben musste meinte die Dame am Telefon: „Ja kein Problem ABER sehe ich das richtig hier steht bei diesem Termin wird NUR der Ultraschall gemacht?“ und ich antwortete mit klarer und verantwortungsvoller Stimme: „JA!“
Ich bin gespannt wohin mich die Reise noch führen wird und hoffe doch bis hin zu einer selbstbestimmten Geburt. Ich lasse mich überraschen!
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Alessia (Dienstag, 02 März 2021 13:03)
Hallo liebe Anna Kathrin!
Danke für diesen Beitrag. Der ist jetzt zwar ein Weilchen her aber ich Frage mich ob es eine Fortsetzung gibt? Du sprichst mir aus der Seele. Ich finde mich momentan in der gleichen Situation wieder. Kaum habe ich ein paar Mal nein zu Glucose screening und Wehenschreiber gesagt, schreien die Ärztin und Helferlein groß auf und meinen ich müsste mich entscheiden, ob ich noch weiter in Behandlung sein möchte bei denen oder einen Verzicht unterschreibe.
Ich bin jetzt in der 23. SSW und bin kerngesund, war es schon immer, habe mich schon immer viel bewegt und mein eigenes wohl in den Vordergrund gestellt und das getan was mir gut tut. Wie gesunde Ernährung, Yoga, Reisen Weiterbildung usw.
Ich sehe keinen Sinn in Untersuchungen, wenn ich mich gut fühle. Noch hatte je einer in meiner Familie Diabetes.
Deinen Artikel zu lesen hat mich bestärkt, dass ich nicht die einzige bin, die hinterfragt und vielleicht gibt es die Fortsetzung irgend wo. Ich würde mich drauf freuen.
Von Herzen nur das Beste
Alessia
Sophie (Samstag, 01 Mai 2021 06:55)
Liebe Ann-Katrin, liebe Alessia,
ich kann eure Gedanken sehr gut nachvollziehen, mir ging es in meinen Schwangerschaften ähnlich. Ich habe mich komplett gegen gynäkologische Routineuntersuchungen entschieden, und war ausschließlich bei der Hausgeburtshebamme zur Vorsorge. Aber es ist gar nicht so leicht, selbstbestimmt schwanger zu sein, weil alle einem irgendwelche gut gemeinte Ratschläge geben wollen.
Um andere Schwangere zu bestärken, habe ich später aus meinen Erfahrungen ein Buch gemacht. Es heißt "Vorfreude statt Vorsorge" und ich hoffe, es ist ok, wenn ich es hier verlinke, weil es genau das Thema hat und vielleicht hier lesenden Frauen weiterhelfen kann. Ich möchte Schwangeren Mut machen, selbstbewusst für ihren Weg einzustehen und auf ihren Körper zu vertrauen. Hier könnt ihr einen Einblick in das Buch bekommen: https://www.muetterimpulse.de/buch-vorfreude-statt-vorsorge/
Alles Gute für euch!
Sophie